Dr. Ruth Röcher ist seit 2006 Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Chemnitz. 1994 zog die Pädagogin nach Sachsen, unermüdlich setzt sie sich für ein religiös-jüdisches Leben ein. Die Chemnitzer Gemeinde zählt heute 550 Mitglieder. Sie ist eine lebendige Gemeinde und die Schabbatfeier am Freitagabend ist gut besucht. Im Alltag spielen der jüdische Kindergarten, die Jugendarbeit, die Sport- und Frauenvereine und die Inklusion russischsprachiger Mitglieder eine große Rolle.
Gottesdienste werden regelmäßig nach orthodoxem Ritus gefeiert. Dafür kommt Rabbi Dannyel Morag aus Hof in Bayern nach Chemnitz. Da die im Jahr 2002 eingeweihte Synagoge saniert werden muss, brachte Rabbi Morag im August 2023 in den Ersatzräumen der Gemeinde in der Webergasse die Mesusa am rechten Türpfosten an. Dank dieser Schriftkapsel mit eingelegten Bibelzitaten wird der Segen für diese Räumlichkeiten sichtbar.
Jüdisches Leben in Sachsen
Jüdisches Leben ist seit 1700 Jahren in Deutschland nachweisbar (Aschkenasen) und in Sachsen seit dem Jahr 1265. Chemnitz erlebte seit dem Jahr 1837 zusammen mit Leipzig, Dresden und Plauen eine Blüte des Judentums. Die „Israelitische Religionsgemeinde zu Chemnitz“ wuchs auf 3.000 Mitglieder. Die Nationalsozialisten verfolgten die Juden brutal, verboten deren gesellschaftliche Beteiligung und vernichteten das Gemeindeleben. Am 9. November 1938 wurden fast alle Synagogen und Gemeindehäuser in Sachsen zerstört, auch die Synagoge am Kaßberg in Chemnitz und die Semper-Synagoge in Dresden. Die Brodyer Synagoge in Leipzig und die Synagoge in Görlitz blieben als Gebäude erhalten.
Wenige Überlebende des Holocaust kehrten nach dem Krieg zurück. In der DDR hielten sie die Einheitsgemeinden unter schwierigen Bedingungen am Leben. Heute sind 2.500 Mitglieder in Sachsen in zahlreichen Gemeinden aktiv. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) finanzieren sie sich über einen Staatsvertrag, Mitgliedsbeiträge sowie Spenden. Mitglieder sind neben den Nachkommen der Überlebenden des Holocaust seit den 1990er Jahren Zugewanderte aus der ehemaligen Sowjetunion und seit 2022 auch Geflüchtete aus der Ukraine. Zsolt Bala ist der Landesrabbiner für Sachsen.
Seit einigen Jahren gibt es neue Entwicklungen: Gläubige aus Israel und Amerika gründeten 2024 einen neuen Landesverband jüdischer Gemeinden und Einrichtungen in Sachsen, der als Verein organisiert ist und sich neben dem bestehenden Landesverband etablieren möchte. Im Jahr 1994 begann in Chemnitz jüdischer Religionsunterricht, der seit 2019 auch im sächsischen Lehrplan verankert ist. Leider sind die Gemeinden antisemitischen Angriffen ausgesetzt und benötigen daher Wach- und Polizeischutz. Seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verschärfte sich die Situation der jüdischen Gemeinden auch in Sachsen.
Judentum
Am Freitagabend wird der Schabbat mit einem Gottesdienst in der Synagoge begonnen. Die Tora wird ausgerollt. Ein Rabbiner rezitiert auf Hebräisch Gebete. Die Gemeinde singt laut mit. Ein gemeinsames Essen mit Obst, frisch gebackenen Hefezöpfen und Wein folgt. Der Samstag ist geprägt von Stille, es wird nicht gearbeitet und nicht gekocht. In der Tora, der heiligen Schrift, steht, dass Gott bei der Erschaffung der Welt am „siebten Tag ruhte”.
Der Glaube an einen Gott (Monotheismus), der die Welt erschaffen hat, ist die religiöse Grundlage des Judentums. Gott schloss mit dem Patriarchen Abraham einen Bund. Dieser ist die Grundlage für die Verbindung zwischen den Gläubigen und Gott. Erwartet wird der Messias, der Heilsbringer, der als Richter und Erlöser das Ende der Welt und den Anbruch einer neuen Zeit bringen soll. Das menschliche Miteinander und die Kommunikation mit Gott werden durch 613 Ge- und Verbote (Halacha) geregelt, auch die Zubereitung der Speisen.
Das Gemeindeleben ist geprägt von Ritualen und Festen wie die Beschneidung (Brit Mila), die religiöse Mündigkeit (Bar/Bat Mitzwa), Hochzeiten und den bedeutenden Jahresfesten wie Pessach, Jom Kippur und Chanukka. Die Zugehörigkeit zum Judentum erfolgt durch Abstammung über die Mutter, oder durch die Annahme des Glaubens. Innerhalb der Religion gibt es viele Strömungen wie Orthodoxie, Chassidismus und Reformjudentum.
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