Begegnungsformate in der Schule (und darüber hinaus)
In der postsäkularen Gesellschaft sind unterschiedliche Religionsgemeinschaften und weltanschauliche Gruppen scheinbar immer stärker segmentiert. Religiosität erscheint wie eine reine Privatangelegenheit. Unsichtbare Barrieren und stillschweigende Trennlinien erschweren die selbstverständliche Wahrnehmung, den Kontakt und das Gespräch untereinander. Das sorgt letztlich für gegenseitiges Unverständnis, manchmal Misstrauen und zunehmende Spaltungen der Gesellschaft.
Die Ausstellung setzt genau hier ein. Sie will zunächst die Vielfalt von Religionen in Sachsen sichtbar machen. Doch sie bleibt nicht beim Wahrnehmen der Menschen, Geschichten und Informationen stehen, sondern sie regt an, miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Ausstellung will Gelegenheiten initiieren, in denen Menschen sich sicher begegnen können, Gedanken teilen und erste Schritte tun, um einander besser zu verstehen.
Sechs Mutmacher für das Begegnungslernen
Durch persönliche Begegnungen können Vorurteile nachweisbar abgebaut werden. Gleichzeitig funktionieren Begegnung und Dialog mit ‚authentischen‘ Stimmen ‚auf Augenhöhe‘ nicht als Selbstläufer.
Sechs unvollständige Gedanken, die Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern Mut machen, Begegnungen in ihrer Schule zu planen, durchzuführen und zu reflektieren:
- Mut zum eigenen Tun: Begegnungsformate in der Schule sind dann erfolgreich, wenn Schülerinnen und Schüler selbst aktiv vorbereiten und planen. Sicher gilt das auch für außerschulische Lernkontexte. Auch die Durchführung gelingt dann besonders oft, wenn beim oder neben dem Gespräch gemeinsam etwas getan wird. Zum Beispiel gemeinsam gegessen, musiziert oder gekocht.
- Mut zum Exemplarischen: Aufgrund des begrenzten Zeitraums von Begegnungsformaten erhalten die Schülerinnen und Schüler keine zusammenfassende Gesamtschau über „den“ Islam oder „das“ Judentum usw. Das wäre ohnehin eine schwierige Verallgemeinerung bzw. Abstraktion, die der Vielfalt der Traditionen und Glaubensansichten nicht gerecht wird. Im Gespräch kommen Themen exemplarisch und manchmal auch “zufällig” zum Tragen.
- Mut zum Subjektiven: Die eingeladenen Gäste sind nicht Vertreter “ihrer Religions- oder Glaubensgemeinschaft”, sondern sie erzählen von ihrem persönlichen Leben, ihren Erfahrungen und Glaubensüberzeugungen. Evangelisch Glaubende in Sachsen denken selten genauso, wie es in den Veröffentlichungen der EKD (Evangelischen Kirche in Deutschland) steht. Und muslimisch Glaubende tun selten, was ein Hodscha in einem prominenten Youtube-Kanal sagt. Begegnungsformate gelingen dort, wo Raum für die individuellen Standpunkte und Erfahrungen ist.
- Mut zur offenen Haltung: Begegnung braucht die Offenheit, dass alle Beteiligten etwas hören, lernen und erleben, was sie nicht schon gewusst haben. Begegnungen verändern die Beteiligten. Sie hinterlassen Eindrücke und verändern das Denken vielleicht auf ungeahnte Weise. Begegnung geht nicht “mit geschlossenem Visier”, sondern mit der Bereitschaft, sich verletzbar zu zeigen.
- Mut zur Gastfreundschaft: Die Redewendung “Fühl dich wie Zuhause” bringt es gut auf den Punkt und deutet auch die Herausforderung an. Für gelingende Begegnungsformate braucht es Aufmerksamkeit dafür, was Gästen hilft und was sie hindert, sich wie zu Hause zu fühlen.
- Mut zur kritischen Selbstreflexion: Begegnungen ‚auf Augenhöhe‘ erfordern kritische Fragen der Teilnehmenden an sich selbst. Zum Beispiel werden Begegnungen im Rahmen von Schule in der Regel von Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft initiiert, während die Gäste zu religiösen Minderheiten zählen. Wie gelingt es, dass Gäste nicht außerhalb von Normalitätsentwürfen verortet werden und Stereotypisierungen verstärkt werden?