Erkenne den Eritreisch-Orthodoxen Glauben

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Geschichte der Eritreisch-Orthodoxen Tewahedo Kirche

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Die Eritreisch-Orthodoxe Tewahedo Kirche gehört zu den orientalisch-orthodoxen Kirchen. Als Zweig der alt-orientalischen Kirche gehört sie einer Konfessionsfamilie innerhalb der Ostkirchen an, die weit vor der Ankunft von Kolonialmächten gedieh. Die Eigenbezeichnung "Tewahedo" (= einheitlich) stammt aus dem Altäthiopischen, der heutigen Liturgiesprache Ge’ez, und bezieht sich auf den Glauben an das Wesen Jesu' als Einheit von Gott und Mensch. Es ist ein theologischer Begriff, der die christliche Aussage der Kirche verdeutlicht.

Die alt-orientalischen Kirchen spalteten sich im Jahr 451 ab, als in während einer Kirchenversammlung in Chalkedon die Frage nach dem Verhältnis von Gott- und Menschsein in Christus diskutiert wurde. Sie hielten an der Überzeugung des Kirchenvaters Cyrill von Alexandrien (um 375/80 – 444) fest, wonach Christus als 'fleischgewordene Natur des Gott-Logos' gesehen werden müsse.
In Sachsen existieren einige eritreische Gemeinden, so in Chemnitz, Dresden und Leipzig. In Dresden sind sie seit Ostern 2015 zu Gast in der Martin-Luther-Kirche Dresden-Neustadt.

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Diakon Beltsom vor der Martin-Luther-Kirche Dresden Neustadt

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Das eritreische Hochland

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Urheber: Giustino

https://de.wikipedia.org/wiki/Hochland_von_Abessinien#/media/Datei:Ethiopian_Highlands_01.jpg

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Das Hochland von Eritrea

Die christliche Tradition des eritreischen Hochlands lässt sich von der einstigen Zugehörigkeit zum aksumitischen, später äthiopischen Königreich ableiten. Das aksumitische Reich mit seiner Hauptstadt Aksum war eine wichtige Handelsmacht am Roten Meer. Im 4. Jahrhundert nahm der König das Christentum an. Im 6. Jahrhundert flohen die ersten Anhänger des Propheten Mohammeds nach Äthiopien. Die beiden Religionen Islam und Christentum breiteten sich in der ganzen Region aus. 

Der Küstenstreifen, Eritrea genannt, wurde 1890 italienische Kolonie, ab 1935 Teil des Gebiets 'Italienisch-Ostafrika'. 1941 befreite der äthiopische Kaiser Haile Selassie zusammen mit britischen Truppen und äthiopischen Widerständlern das Land. Anschließend floh er ins britische Exil. Den Sonderstatus Eritreas nach dem Zweiten Weltkrieg als Bestandteil einer Föderation mit Äthiopien und gleichzeitiger weitgehender Autonomie beschlossen die europäischen Großmächte und die Vereinten Nationen 1952. 

Im Jahr 1961 organisierten sich bewaffnete Befreiungsbewegungen gegen die äthiopische 'Fremdherrschaft'. Der Bürgerkrieg dauerte 30 Jahre. Nach der Revolution von 1974 und dem Tod von Kaiser Haile Selassie im Jahr 1975 richtete sich der Befreiungskampf gegen die Herrschaft des kommunistischen Diktators Mengistu Haile Mariam. Im Jahr 1991 wurde Mengistu entmachtet und der Bürgerkrieg beendet.

Eritrea wurde 1993 unabhängig und die Kirche spaltete sich von der äthiopischen Kirche ab. Im Jahr 1998 wurde mit Abuna Philippos der erste eritreische Patriarch geweiht.

Der eritreische Bürgerkrieg und die Unabhängigkeit des Landes und seiner Kirche führten zu politischen und sozialen Herausforderungen. Der nachfolgende Grenzkrieg erschwerte die Lage der Menschen in Äthiopien und Eritrea. Die "Eritrean People’s Liberation Front" entstand im Unabhängigkeitskrieg und brachte das heutige Regime hervor.

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Situation in Eritrea

Die Gemeinde ist, wie viele ihrer Art, aus politischen Gründen gespalten. Eritrea wird von einer autokratischen Regierung unter Isayas Afewerki geführt, die regimekritische Stimmen unterdrückt und vor Menschenrechtsverletzungen nicht zurückschreckt. Der regimekritische Patriarch der orthodoxen Kirche, Abune Antonios, wurde 2007 abgesetzt und unter Hausarrest gestellt. Er starb 2022. Gegen die Vorschriften des orthodoxen Kirchenrechts, die besagen, ein Patriarch könne nicht zu Lebzeiten abgelöst werden, setzte der Staat nach Abune Antonios Absetzung ein neues Kirchenoberhaupt ein. Das führte in Gemeinden zu Spaltungen nach entsprechenden Loyalitäten.

Offiziell herrscht in Eritrea Religionsfreiheit, in der Realität dürfen nur registrierte Religionen (katholische Kirche, evangelisch-lutherische Kirche, eritreisch-orthodoxe Tewahedo-Kirche und sunnitischer Islam) praktiziert werden. Es besteht eine Registrierungspflicht für Religionsgemeinschaften. Anträge werden aber nicht beantwortet. Kirchen und religiöse Gemeinschaften, die Regimekritik üben und die Aufopferung für den Staat anprangern, werden verfolgt. Registrierte Religionen müssen einen halbjährlichen Bericht über ihre Aktivitäten einreichen.

Zum Ablauf des Gottesdienstes

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Gläubige Mädchen mit Kopfbedeckung, Frauenseite während des eritreischen Gottesdienstes in der Martin-Luther-Kirche Dresden-Neustadt

Der Gottesdienst in Tewahedo-Kirchen beginnt sonntags um 6 Uhr und dauert regulär mindestens zwei Stunden. In Eritrea stehen die Gläubigen die ganze Zeit. Viele Männer stützen sich während des Gottesdienstes auf "Gebetsstöcke". Sie tragen "Shama" – ein weißes Tuch. Musik ist wichtiger Bestandteil des orthodoxen Gottesdienstes. Lieder und Musikinstrumente, wie die Kirchentrommel, tragen die Gebete zu Gott. Die Däbtära führen die Tanzschritte aufgrund ihrer musikalischen und tänzerischen Ausbildung aus. Frauen haben ein weißes Tuch auch um den Kopf und sitzen während des Gottesdienstes auf der rechten Seite der Kirche. Das umhüllte Evangelium wird von den Gläubigen im eritreisch-orthodoxen Gottesdienst geküsst. Zentraler Gegenstand jeder eritreischen Kirche ist der Tabot, eine Nachbildung der alttestamentarischen Bundeslade, die in der biblischen Exodus-Erzählung die auf Steintafeln gemeißelten zehn Gebote enthielt. Der Tabot ist auf einen Heiligen oder ein biblisches Ereignis geweiht. Von dieser Weihung leitet sich der Name eritreisch-orthodoxer Kirchen ab. Er wird nur anlässlich von Festtagen und Prozessionen dem Allerheiligsten entnommen.

Kirchliche Gliederung des Jahres

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Eritrea und Äthiopien teilen einen Kalender mit 13 Monaten. Die Geburt Jesus wurde sieben bis acht Jahre hinter dem gregorianischen Jahr berechnet, 2024 ist also das Jahr 2016/17. Das Jahr beginnt im September.

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Chor und Däbtara Allgemeine Feiertage Fastenzeiten
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An Festtagen sorgen Chor und Däbtära mit musikalischer und tänzerischer Begleitung für die feierliche Stimmung. Die männlichen Däbtära haben eine musikalische Ausbildung und traditionell medizinische Ausbildung absolviert. Sie sind für Dämonenaustreibungen (Exorzismen) und andere religiöse Rituale zuständig. Sie sind nicht geweiht.

Jedem Tag eines Monats ist der Feiertag eines Heiligen zugeordnet. Pfarreien feiern monatlich ihren Pfarrpatron. Allgemeine Feiertage, die monatlich wiederholt werden, sind die Feste des Erzengels Michael, der Gottesmutter Maria und das Fest Gottes bzw. Fest des Sohnes. Wie in den westlichen Kirchen gehören auch Weihnachten und Ostern zu den wichtigsten Ereignissen. Eine besondere Rolle spielt die Marienverehrung, die in 33 Marienfesten und zahlreichen ikonographischen Darstellungen ihren Ausdruck findet.

Fastenzeiten tragen weiter zur kirchlichen Gliederung des Jahres bei und finden jährlich sieben Mal statt. Von jedem orthodoxen Gläubigen wird erwartet, 180 Tage im Jahr zu fasten.

Chor und Däbtara Allgemeine Feiertage Fastenzeiten

Eritreer in Deutschland

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Aktuell leben über 70.000 eritreische Staatsangehörige in Deutschland (BAMF 2021). Einige Eritreer sind nicht repräsentiert, da sie noch äthiopische Pässe haben. Im Jahr 2023 wurden von Eritreern etwa 4.280 Asylerstanträge gestellt. Das machte 1,3 Prozent der Asylanträge insgesamt aus (BAMF: Schlüsselzahlen Asyl 2023).
Eritreische Geflüchtete leben auch in Deutschland oftmals in Angst vor der eritreischen Staatsmacht. So wechseln einige regelmäßig ihre Telefonnummern, um einer Überwachung zu entgehen.

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Der weite Einflussbereich des autokratischen Regimes Eritreas

Für viele eritreische Migranten bedeutet Migration, dass sie fliehen müssen, um ihr Leben zu retten. Es gibt in der Diaspora aber auch Unterstützer des Regimes. Warum? Migrations- und Asylprozesse erfordern nationale Zuordnungen. Diese werden bei Identitätskontrollen erfragt und dadurch häufig gestärkt.
Als Teil der Selbstwahrnehmung als Schicksals- und Leidensgemeinschaft der migrantischen Gemeinschaft in teils prekären Lebenssituationen ist von einem 'zweiten Befreiungskampf' die Rede. Migranten können und müssen sich mit dem Prinzip der Eigenständigkeit identifizieren. Der im Migrationsprozess aufrechterhaltene oder gar gestärkte Patriotismus ist die trotz allem positive Erinnerung an Kindheit und Jugend in Eritrea. Das kann angesichts einer oftmals ungewissen Zukunft eine wichtige Lebensstütze sein.