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© Andreas Rost / SLpB

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"Sichtbare Vielfalt. Religionen in Sachsen" – Ermutigung zum Begegnungslernen

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Begegnungsformate in der Schule (und darüber hinaus)

In der postsäkularen Gesellschaft sind unterschiedliche Religionsgemeinschaften und weltanschauliche Gruppen scheinbar immer stärker segmentiert. Religiosität erscheint wie eine reine Privatangelegenheit. Unsichtbare Barrieren und stillschweigende Trennlinien erschweren die selbstverständliche Wahrnehmung, den Kontakt und das Gespräch untereinander. Das sorgt letztlich für gegenseitiges Unverständnis, manchmal Misstrauen und zunehmende Spaltungen der Gesellschaft.

Die Ausstellung setzt genau hier ein. Sie will zunächst die Vielfalt von Religionen in Sachsen sichtbar machen. Doch sie bleibt nicht beim Wahrnehmen der Menschen, Geschichten und Informationen stehen, sondern sie regt an, miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Ausstellung will Gelegenheiten initiieren, in denen Menschen sich sicher begegnen können, Gedanken teilen und erste Schritte tun, um einander besser zu verstehen.

Sechs Mutmacher für das Begegnungslernen

Durch persönliche Begegnungen können Vorurteile nachweisbar abgebaut werden. Gleichzeitig funktionieren Begegnung und Dialog mit ‚authentischen‘ Stimmen ‚auf Augenhöhe‘ nicht als Selbstläufer.

Sechs unvollständige Gedanken, die Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern Mut machen, Begegnungen in ihrer Schule zu planen, durchzuführen und zu reflektieren:

  • Mut zum eigenen Tun: Begegnungsformate in der Schule sind dann erfolgreich, wenn Schülerinnen und Schüler selbst aktiv vorbereiten und planen. Sicher gilt das auch für außerschulische Lernkontexte. Auch die Durchführung gelingt dann besonders oft, wenn beim oder neben dem Gespräch gemeinsam etwas getan wird. Zum Beispiel gemeinsam gegessen, musiziert oder gekocht.
  • Mut zum Exemplarischen: Aufgrund des begrenzten Zeitraums von Begegnungsformaten erhalten die Schülerinnen und Schüler keine zusammenfassende Gesamtschau über „den“ Islam oder „das“ Judentum usw. Das wäre ohnehin eine schwierige Verallgemeinerung bzw. Abstraktion, die der Vielfalt der Traditionen und Glaubensansichten nicht gerecht wird. Im Gespräch kommen Themen exemplarisch und manchmal auch “zufällig” zum Tragen.
  • Mut zum Subjektiven: Die eingeladenen Gäste sind nicht Vertreter “ihrer Religions- oder Glaubensgemeinschaft”, sondern sie erzählen von ihrem persönlichen Leben, ihren Erfahrungen und Glaubensüberzeugungen. Evangelisch Glaubende in Sachsen denken selten genauso, wie es in den Veröffentlichungen der EKD (Evangelischen Kirche in Deutschland) steht. Und muslimisch Glaubende tun selten, was ein Hodscha in einem prominenten Youtube-Kanal sagt. Begegnungsformate gelingen dort, wo Raum für die individuellen Standpunkte und Erfahrungen ist.
  • Mut zur offenen Haltung: Begegnung braucht die Offenheit, dass alle Beteiligten etwas hören, lernen und erleben, was sie nicht schon gewusst haben. Begegnungen verändern die Beteiligten. Sie hinterlassen Eindrücke und verändern das Denken vielleicht auf ungeahnte Weise. Begegnung geht nicht “mit geschlossenem Visier”, sondern mit der Bereitschaft, sich verletzbar zu zeigen.
  • Mut zur Gastfreundschaft: Die Redewendung “Fühl dich wie Zuhause” bringt es gut auf den Punkt und deutet auch die Herausforderung an. Für gelingende Begegnungsformate braucht es Aufmerksamkeit dafür, was Gästen hilft und was sie hindert, sich wie zu Hause zu fühlen.
  • Mut zur kritischen Selbstreflexion: Begegnungen ‚auf Augenhöhe‘ erfordern kritische Fragen der Teilnehmenden an sich selbst. Zum Beispiel werden Begegnungen im Rahmen von Schule in der Regel von Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft initiiert, während die Gäste zu religiösen Minderheiten zählen. Wie gelingt es, dass Gäste nicht außerhalb von Normalitätsentwürfen verortet werden und Stereotypisierungen verstärkt werden?
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Idee zur Vorbereitung von Begegnungen

Vorbereitung in Expertengruppen

Ausgangsthese: Begegnungsformate gelingen leichter und nachhaltiger, wenn Schülerinnen und Schüler aktiv in die Vorbereitungen einbezogen sind.

Hier folgt ein Vorschlag zur aktiven Vorbereitung durch die Schülerinnen und Schüler (ab Klasse 6)

  • Besuch der Wanderausstellung
  • Schülerinnen und Schüler überlegen gemeinsam welche Fragen, Themen und welches Begegnungsformat, sie interessiert. Sie einigen sich auf ein Begegnungsformat und die möglichen Gäste/Besuche. Dabei ist es in der Regel sinnvoll, sich zunächst auf eine Religionsgemeinschaft zu konzentrieren. (Beispiele für Formate: Begegnung vor Ort in den Räumen einer Religionsgemeinschaft, Begegnung an einem dritten Ort – Museum, Park, …; Begegnung in der Schule – im Rahmen des Fachunterrichts, fächerverbindend, im Rahmen von Projekttagen)
  • Aktive Vorbereitung durch die Schülerinnen und Schüler in vier Expertengruppen.
    • Idealerweise wählen die Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrer Interessen die Expertengruppe.
    • Die Expertengruppen tragen ihre Arbeitsergebnisse einander vor.
  • Gemeinsam (mit Experten aus allen vier Gruppen) legen die Schülerinnen und Schüler einen Fragenkatalog und ein Ablauf für die Begegnung fest.
  • Die Schülerinnen und Schüler benennen und verteilen Aufgaben und Rollen für die Begegnung (Moderation des Gespräches, Zeitwächter, Begrüßung, Dank, Ausblick, Materialorganisation, Essen/Getränke, Raum einräumen). Jeder Schüler und jede Schülerin hat mindestens eine Aufgabe/Rolle.

Der Vorschlag greift bei der Bestimmung der Expertengruppen auf ein Modell zum interreligiösen Lernen zurück. Dieses Modell von Prof. Karlo Meyer (Religionspädagoge an der Universität des Saarlandes) benennt vier Modi der Erschließung von Religionen
Literatur: Meyer, Grundlagen des interreligiösen Lernens, 2019, S. 160-208.

1. Expertengruppe "Forscherinnen und Forscher" - Schülerinnen und Schüler führen selbst religionswissenschaftliche „Forschungen“ durch. Sie sammeln ausgehend von der Ausstellung Fragen, Gedanken und Informationen. Sie formulieren eigene Forschungsaufträge. Neben dem Erheben von religiösen Fachinformationen können Schülerinnen und Schüler auch eigene Befragungen entwickeln. Sie könnten z.B. der Frage nachgehen, wie auf dem Schulhof, im Kollegium oder im familiären Umfeld über den Zusammenhang von Weltanschauung und Essen gedacht wird (Warum isst Du bestimmte Dinge nicht? Woher weißt Du, dass Speisen nicht gegessen werden sollen? Gibt es Speisen, auf die Du aus ethischen/religiösen Gründen verzichtest? …) Ähnliches wäre auch im Blick auf Gebetspraxis oder andere Themen möglich. Daraus können niveauvolle (Sach-)Fragen für das Gespräch mit den Gästen entstehen. Schon bei der Entwicklung der Fragen vertiefen die Schülerinnen und Schüler nötiges Hintergrundwissen und lernen gleichzeitig etwas über die Vielfalt und Individualität. Das wirkt auch der Gefahr entgegen, die subjektiv-partikular geprägte Form des Glaubens und der Glaubenspraxis der Gäste als "typisch muslimisch/jüdisch" einzuordnen.
Die Forschergruppe trägt ihre Ergebnisse so zusammen, dass sie diese den anderen Gruppen vorstellen kann.
Die Forschergruppe formuliert interessante Sachfragen an die Gäste bzw. Gastgeber (wenn die Räume einer Religionsgemeinschaft besucht werden). Interessante Fragen sind die, auf dies es keine einfach zu googlende Antwort gibt und die gleichzeitig wichtig sind für das Verstehen dieses Glaubens.

2. Expertengruppe "existentielle Denkerinnen und Denker" - Schülerinnen und Schüler benennen ausgehend von der Ausstellung existentielle Fragen und Glaubenswahrheiten, die die Glaubenden zum Ausdruck bringen. Sie vertiefen das Nachdenken, indem sie gründlich und strukturiert weiterfragen: Was ändern diese Einstellungen am Blick auf den Menschen, auf die Welt, auf Transzendenz/Gott? Und schließlich positionieren sie sich selbst, wenn sie fragen: Was könnte eine solche Sicht für mich ändern? Die Schülerinnen und Schüler lernen neue religiöse Perspektiven kennen und entwickeln Fragen für das Begegnungsformat, die die Tiefendimension von Religion berühren. Gleichzeitig können diese Sichtweisen Anstoß sein, die eigenen Ansichten und Überzeugungen wahrzunehmen.
Die Denkergruppe trägt ihre Ergebnisse so zusammen, dass sie diese den anderen Gruppen vorstellen kann.
Die Denkergruppe formuliert interessante religiöse/philosophische Frage an die Gäste bzw. Gastgeber (wenn die Räume einer Religionsgemeinschaft besucht werden). Interessante Fragen sind die, auf dies es keine einfach zu googlende Antwort gibt und die gleichzeitig für die Schülerinnen und Schüler spannen sind, weil sie sich das auch im Blick auf ihr Leben fragen.

3. Expertengruppe "Brücken-Managerinnen und Brücken-Manager" - Schülerinnen und Schüler verständigen sich auf sensible, konkrete Umgangsweisen und Gestaltungen der Begegnung. Sie entwerfen die Einladung an religiöse Menschen, die in der Schule zu Gast sein werden. Sie planen, wie sie die Würdigung des Besuchs zum Ausdruck bringen: Begrüßen wir den Gast mit "Nameste" und Verbeugung, mit „Grüß Gott“ oder Handschlag? Überreichen wir ein Geschenk? Was ist dabei zu beachten? Soll es etwas zu Trinken oder zu Essen geben? Was muss dabei bedacht werden? Welche Klischees haben wir im Kopf (zum Beispiel über das Verhältnis von Frau und Mann) und was können wir dafür tun, offen zu bleiben? Wie kann der Raum eingeräumt sein, für eine optimale Gesprächsatmosphäre? Die Schülerinnen und Schüler klären wichtige Vorbereitungsfragen selbstständig, vertiefen dabei ihr Hintergrundwissen und lernen gleichzeitig etwas über religionssensiblen Umgang miteinander.
Die Brückenmanagergruppe trägt ihre Ergebnisse so zusammen, dass sie diese den anderen Gruppen vorstellen kann.
Die Brückenmanagergruppe formuliert eine Checkliste, woran bei der Begegnung zu denken ist, damit sich Gäste bzw. Gastgeber "wie Zuhause fühlen" können.

4. Expertengruppe "Gesellschafts-Bewegerin und -Beweger" - Schülerinnen und Schüler verknüpfen die Erfahrungen und Entdeckungen mit dem Sozialraum. Sie machen sich aktiv auf die Suche nach religiöser Vielfalt vor Ort. Wie sichtbar ist die Religionsgemeinschaft im Umfeld unsere Schule? Wäre es möglich, die Vielfalt von Religionen im Umfeld der Schule besser sichtbar und erlebbar zu machen (zum Beispiel ein interkultureller Kuchenbasar beim Schulfest)? Wie könnte das geschehen und unter welchen Bedingungen? Neben dem Wahrnehmen religiöser Vielfalt können auch religionsbezogene Herausforderungen und Konflikte im Umfeld ihrer Schule genauer in den Blick genommen werden. Vielleicht steht die Frage eines Raumes der Stille in der Schule zur Debatte, vielleicht die Frage, ob unterschiedliche religiöse Feste und Traditionen Thema der Schulkonferenz werden oder Platz im Schulkalender finden, vielleicht gab es im Umfeld der Schule diskriminierende Schmierereien? Schülerinnen und Schüler lernen selbst Vielfalt zu entdecken und möglicherweise auch weitere Kontakte in Bewegung zu bringen.
Die Gesellschafts-Beweger-Gruppe trägt ihre Ergebnisse so zusammen, dass sie diese den anderen Gruppen vorstellen kann.
Die Gesellschafts-Beweger-Gruppe formuliert eine Idee, wie es nach der Begegnung weitergehen kann und entwickelt die Schritte, die zu tun sind.

Johanna Fabel / TPI Moritzburg

Kontakt zur jüdischen Gemeinde in Chemnitz

Jüdische Gemeinde Chemnitz
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Stollberger Str. 28,
09119 Chemnitz
Tel: 0371/355 97 0
Fax: 0371/355 97 19
Sprechzeiten: Di, Mi, Fr, 12-15 Uhr
mail.gemeinde@jg-chemnitz.de


derzeitige Adresse der Gemeinde:
Webergasse 3
09111 Chemnitz

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Literatur-Tipps

Verena Böll, SLpB

Vor einigen Jahren wurde ein Projekt zur Kartographierung aller Religionsgemeinschaften in Sachsen gestartet. Unter der Leitung von Dr. Harald Lamprecht ist eine Karte mit sehr hoher Informationsdichte entstanden, die unten zur Verfügung steht. Aufgrund der dynamischen Entwicklung von Religionsgemeinschaften erhebt das Projekt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch eignet es sich hervorragend, um einen Überblick über die große religiöse Vielfalt und eine Einschätzung zur Verteilung der Religionsgemeinschaften in Sachsen zu gewinnen.

Finden Sie die hier beschriebene Religionsgemeinschaft im Verzeichnis?

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Jüdischer Religionsunterricht in Sachsen

Der sächsische Kultusminister Christian Piwarz zur Einführung des jüdischen Religionsunterrichts im Freistaat Sachsen

"Die jahrhundertelange Geschichte der Juden in Sachsen hat Kunst, Kultur, Wirtschaft und Handel in unserem Land mitgeprägt. Der Unterricht in Jüdischer Religion ist daher eine mehrfache Bereicherung. Für jüdische Schüler wird das Grundrecht auf den eigenen Religionsunterricht verwirklicht. Und an den Schulen wird Jüdische Religion als gleichberechtigtes Lehrfach wieder ein fester Teil der allgemeinen Bildung. In der Begegnung mit jüdischen Schülern, Lehrern und Lehrinhalten können auch Wissensdefizite und diffuse Vorurteile abgebaut werden."

https://www.jg-chemnitz.de/religionsunterricht/+[12.7.2024].

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Dresdner Wort der Religionen

Zum "Dresdner Wort der Religionen", das zum Tag der Deutschen Enheit im Jahr 2016 verfasst wurde geht es hier.

Digital-didaktische Tools für den Unterricht

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Eine Vielzahl kollaborativer Tools zur kreativen Unterrichtsgestaltung finden Sie hier: https://kits.blog/tools/.

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Bilder zum Herunterladen

Diese Bilder von der Religionsgemeinschaft können Sie herunterladen und zum Einstieg in das Unterrichtsgespräch nutzen.

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© Andreas Rost / SLpB

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Rabbi Dannyel Morag Flur mit Gläubigen

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© Iona Dutz / SLpB

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Frau Röcher stehend in der Synagoge Chemnitz

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