Erkenne den Bosnisch-Muslimischen Glauben

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Bosniaken in Leipzig

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Poster in der Moschee: Ziele der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland

Die islamische Gemeinde der Bosniaken in Leipzig ist ein Zusammenschluss von Menschen, die einem gemeinsamen Herkunftsraum entstammen und den gleichen Glauben teilen. Beide Kriterien stiften Identität und begründen die Motivation der Gemeindemitglieder, sich zunächst informell zusammenzufinden. Gut 80 Familien wollten gemeinsam ihre Verbundenheit mit der bosnischen Heimat aufrechterhalten, ihre kulturellen Gepflogenheiten und die Sprache pflegen und verantwortungsvoll an die nächsten Generationen weitergeben. Aus dieser anfänglichen Gemeinschaftsbildung entwickelte sich das weitergehende Vorhaben, der Verbundenheit einen festen Rahmen zu geben.

Durch die Gründung des Islamisches Kulturzentrums der Bosniaken in Leipzig e. V. im Jahr 2012 erfüllte sich der Wunsch nach einem Ankerpunkt der Zusammengehörigkeit. Wichtig war aber auch, gegenüber der Leipziger Bevölkerung sichtbar zu werden. Die Religion stellte dabei von Anfang an eine bedeutende Konstante dar.

Die Gemeinde in Leipzig hat neben ca. 100 offiziellen Mitgliedern viele weitere außerordentliche Mitglieder, die sich ihr zugehörig fühlen. Sie stammen zumeist aus Bosnien, aber auch aus Albanien und beispielsweise dem Sandschak. Seit der Gründung des Vereins hat sich das Einzugsgebiet der Mitglieder deutlich über die sächsische Metropole hinaus nach Halle und Merseburg ausgeweitet. Deshalb, und aus Gründen der besseren Vernetzung und Verwaltung, beschloss man im Jahre 2017, sich formal an die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland e.V. anzugliedern. Diese 1994 gegründete Dachorganisation der bosnischen Muslime fungiert zum einen als Schnittstelle zu anderen muslimischen Interessengemeinschaften, integriert andererseits aber auch über 70 bosniakischen Gemeinden im gesamten Bundesgebiet.

Imam

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Imam Dzavid Preljevic

Die Leipziger Gemeinde hat einen eigenen Imam, der als muslimischer Gelehrter und vorbildhafte Persönlichkeit für alle religiösen, familiären und gesellschaftsbezogenen Fragen verantwortlich ist. Er leitet das Freitagsgebet und hält die Predigt, nimmt aber auch außerhalb der liturgischen Abläufe vielfältige soziale, integrative und moderierende Tätigkeiten wahr. Ein besonderes Augenmerk liegt für ihn in der Klärung religiöser und anderer Angelegenheiten der Gemeindemitglieder.
Vorstellungen zur Religionsauslegung und einem angemessenen muslimischen Leben beruhen auf dem Zusammenspiel von relevanten Quellen (u. a. Koran und Hadithe) sowie einer tradierten Methodologie, die detailiert aufeinander abgestimmte Verfahren anwendet. Wie ca. 50% aller sunnitischen Gemeinden weltweit, so folgen auch die Leipziger Bosniaken der sogenannten hanafitischen Rechtsschule.

Soziokulturelle Aktivitäten der Gemeinde

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Mirza Mujovis und Imam Dzavid Preljevic decken den Frühstückstisch El-Furkan Moschee (Islamisches Kulturzentrum der Bosniaken in Leipzig e.V.)

Das räumlich wichtigste Zentrum aller Aktivitäten der Gemeinde stellt die eigene Moschee dar. Eingerichtet im Erdgeschoss eines Wohnhauses im Leipziger Westen weist sie alle Elemente eines solchen gemeinschaftlich-religiösen Ortes auf. In dem zentralen Gebetsraum wird v. a. zum Freitagsgebet in Richtung der Kaaba, dem Heiligtum in Mekka (Saudi-Arabien) gebetet. Aufgrund der baulichen Voraussetzungen ist jedoch kein Minarett, also der üblicherweise als Turm realisierte Standplatz des Gebetsrufers (Muezzin) vorhanden.

Auch für die jährlich wiederkehrenden, wichtigen islamischen Feste stellt die Moschee grundsätzlich den Ausgangspunkt dar. Im kalendarischen Jahreslauf, der durch die Phasen des Mondes bestimmt ist, bildet der neunte Monat Ramadan als Fastenmonat den prägnantesten Höhepunkt. Dessen Ende, das sog. Fastenbrechen, bei den Bosniaken Bayram (auch: Id al-Fitr/Idu-l’Fit) genannt, dauert insgesamt drei Tage und ist durch Gebete, gemeinsames Essen und den Austausch von Geschenken bestimmt.

Feste und Kommunikation der Gemeinde

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Das höchste Fest des Islam, das Opferfest Id ul-Adha (auch: Eid ul-Adha bzw. Eid-e Qurban), erinnert an die abgewendete Opferung Isaaks durch seinen Vater Ibraham (Abraham) und ist in der Leipziger Gemeinde vor allem durch Gebete und Verwandtschaftsbesuche gekennzeichnet.

Das regelmäßige gemeinschaftliche Angebot der Gemeinde umfasst außerdem Veranstaltungen für Groß und Klein. Für die Kinder gibt es wöchentlich eine zeitlich flexibel an die Thematik angepasste Unterrichtseinheit. Von der Vermittlung muttersprachlicher Kompetenz und der Unterweisung in Kultur und Brauchtum über die Weitergabe von religiösen Inhalten bis hin zur Anleitung zu einer muslimischen Glaubenspraxis umschließt das abwechslungsreich konzipierte Programm ein breites Spektrum an Ausbildungsinhalten.

Ein bis zweimal im Monat treffen sich zudem die erwachsenen Mitglieder der Gemeinde. Auch hier stehen Sprache, Kultur und Glaube im Vordergrund. Die Versammlungen beziehen in Gesprächen und Vorträgen aber ebenso aktuelle Interessen- und Problemfelder aus Gesellschaft und Politik mit ein. Trotz der Angebote moderner Telekommunikation – wie den einschlägigen Plattformen sozialer Medien – wird in der bosniakischen Gemeinde der persönliche Dialog traditionell wertgeschätzt und nimmt im gesellschaftlichen Miteinander einen hohen Stellenwert ein.

Wenngleich diese Angebote auch bisher schon jedermann offenstehen, so sind für die nahe Zukunft weitere Formate geplant, die gezielter auch die Leipziger Bevölkerung einbeziehen wollen.

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Gott fordert Ibrahim auf, seinen Sohn zu opfern

Aus dem Koran

Und er sagte: […] Mein Herr, gewähre mir einen von den Rechtschaffenen! Dann gaben wir ihm einen sanftmütigen Sohn. Als er alt genug war, um mit ihm zu arbeiten, sagte er: Mein Sohn, ich sehe im Traum, dass ich dich schlachte. So schau, was meinst du dazu? Er sagte: Mein Vater, tu was dir befohlen wird; du wirst mich – so Gott will – unter den Geduldigen finden. Als sie sich beide (Gottes Willen) ergeben hatten und er ihn mit der Stirn auf den Boden hingelegt hatte, da riefen wir ihn an: Abraham, du hast den Traum erfüllt. […] Dies ist in der Tat eine deutliche Prüfung. Und wir lösten ihn durch ein gewaltiges Schlachtopfer aus. […] Und wir verkündeten ihm Isaak, einen Propheten, einen von den Rechtschaffenen. Und wir segneten ihn und Isaak.

Koran, Sure 37, Verse 99 bis 113.

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Sonntagsschule

In der Leipziger Gemeinde gibt es auch eine Sonntagsschule. Sie wird derzeit von etwa 60 Kindern frequentiert, die dort jede Woche über den Koran sowie über die Pflichten und Gebote für Muslime lernen – die Grundregeln der Religion.

Manchmal veranstaltet die Sonntagsschule auch Ausflüge für junge Menschen nach Bosnien. Dort lernen sie die Heimat und Traditionen ihrer Familien kennen ... und verbringen ein paar schöne Tage am Meer.

Ziele der Gemeinde

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Die Leipziger Gemeinde der Bosniaken formuliert für sich selbst die folgenden Ziele:

  • Das Praktizieren und Bewahren des Glaubens
  • Die Einheit der Gemeinschaft
  • Die Vervollkommnung der Moral
  • Die Erziehung der Jugend und der Schutz der Familie
  • Das Pflegen der Kultur und Tradition
  • Die Integration in die Gesellschaft
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Vorsitzender Mirza Mujovic im Gebetsraum der El-Furkan Moschee Leipzig

Die Geschichte des Islam in Sachsen

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Seit der Zeit der Kreuzzüge bestanden vielfältige Beziehungen zwischen Regionen mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung und dem Gebiet des heutigen Sachsen. Aber erst ab der Gründung der DDR zogen in nennenswerter Anzahl Menschen islamischen Glaubens vor allem als Vertragsarbeiter und zum Studium nach Sachsen. 

Nach der Wende 1989/1990 setzte dann ein reger Zuzug ein. Die Neuankömmlinge aus Westdeutschland, dem zerfallenen Jugoslawien und später anderen Kriegsgebieten gründeten ab Mitte der 1990er Jahre die ersten Gemeinden und Kulturvereine. Heute geht man von ca. 30.000 Muslimen im Freistaat aus.

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Der Islam

Sichel und Stern
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Urheber: kbolino

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PD

Sichel und Stern: ein Symbol des Islam.

Der Islam ist eine Religion, deren weltweit ca. 2 Mrd. Anhänger an einen allumfassenden Schöpfergott, Allah genannt, glauben. Sie ist vor dem Hinduismus und nach dem Christentum die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft der Erde. Ihre Ursprünge liegen im 7. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung auf der Arabischen Halbinsel.

Die wichtigste Grundlage des religiösen Lebens ist der Koran. Der Erzählung nach wurde der Text dieser heiligen Schrift dem aus Mekka stammenden Karawanenführer und Kaufmann Mohammed innerhalb von 20 Jahren wörtlich von Allah übermittelt. Mit der Verbreitung und Auslegung der 114 Textabschnitte, den Suren, begründete er diese Religion.

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Die religiöse Praxis aller Muslime gründet sich in fünf verpflichtenden Handlungen:

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Bosniaken sind Sunniten

Die Bosniaken sehen sich selbst als Teil der Glaubensgemeinschaft der Sunniten. Diese stellt mit ca. 85% aller Muslime die Mehrheit der Gläubigen in der islamischen Welt. Charakteristisch für diesen Zweig des Islam ist die Anerkennung der ersten vier Kalifen nach dem Tode Mohammeds als seine legitimen Nachfolger. Außerdem bezieht sich ihre Glaubens- und Rechtslehre sowie -praxis neben dem Koran vor allem auf eine bestimmte, überlieferte Zusammenstellung von sechs Schriften, die vorbildhafte Handlungsweisen und maßgebliche Aussagen des Religionsgründers enthalten, die sogenannte Hadithe.

Ein Blick in die Geschichte

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Das Gebiet des heutigen Bosniens wurde im Laufe der Jahrhunderte von unterschiedlichen kulturellen und religiösen Einflüssen geprägt.

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Vertreibung aus Bosnien

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Innerpolitische Machtverschiebungen, einhergehend mit nationalistischen Bestrebungen führten zum Beginn der 1990er Jahre zu mehreren folgen- und verlustreichen Kriegen auf dem Westbalkan. Im Zuge dieser zerstörerischen und blutigen Auseinandersetzungen floh ein großer Teil der Bevölkerung in andere Länder.
Insgesamt fast 1,2 Mio. Menschen verließen ihr Heimatland Bosnien, darunter viele Muslime, die sog. Bosniaken. Deutschland nahm in den Jahren 1991 bis 2002 insgesamt 350.000 Kriegsflüchtlinge auf. Die meisten kehrten nach Kriegsende wieder in ihr Land zurück, aber eine kleine Minderheit von ungefähr 20.000 Menschen blieb hier.

Zusammen mit Nachkommen der von der Bundesrepublik in den 1960er Jahren angeworbenen "Gastarbeiter" bilden sie heute die Gemeinschaft derer, die Deutschland als ihre neue Heimat gewählt und angenommen haben. Das Zusammenfinden in der neuen Umgebung, Nachbarschaftshilfe, aber eben auch die kulturelle und religionsbezogene Zugehörigkeit bilden das Fundament, auf dem die Bosniaken fernab ihres Mutterlandes ihrem Selbstverständnis Ausdruck verleihen, so auch in Sachsen.

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Gedenktafel Srebrenica
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Eine Gedenktafel in der Moschee erinnert an den Genozid von Srebrenica.


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Der Text zur Gedenktafel

Der Völkermord von Srebrenica

Mit der Erstürmung der UN-Schutzzone Srebrenica am 11. Juli 1995 durch serbische Milizen begann das größte Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, das mehrere Tage andauern sollte. Vor den Augen von niederländischen Blauhelmsoldaten - im Angesicht der gesamten Weltöffentlichkeit - wurden Männer und Jugendliche von ihren Familien getrennt und in Bussen auf mehrere Fabrikgelände verbracht, wo sie erschossen und anschließend mit schwerem Gerät in Massengräber verscharrt wurden. In den Wäldern um Srebrenica wartete in diesen Tagen eine beispiellose Jagd auf flüchtende Menschen, Frauen und Kinder, die durch Feindesgebiet auf freies Territorium zu gelangen versuchten. Hunderte Menschen fanden den Tod oder wurden schwer verletzt und für ihr Leben gezeichnet.

Die Symbolik der Blume von Srebrenica

Die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland hat auf dem gesamten Bundesgebiet das Projekt „Blume von Srebrenica“ initiiert. Durch das Tragen der Blume soll an die Opfer des Völkermords von Srebrenica erinnert werden. Elf weiße Blüten im Blumenkranz symbolisieren die Unschuld der Opfer, der grüne Blumenkern steht für die Hoffnung, dass Srebrenica niemandem wieder widerfahre, an keinem Ort der Welt.